Kötzting und sein Pfingstritt
Ein kulturgeschichtlicher Bericht von 1912
Im Jahre 1912 gründete der Verleger und Inhaber der Waldbauerschen
Buchhandlung Passau, Franz Bieringer, die
"Niederbayerische Monatsschrift", eine Zeitschrift für Kultur-
und Kunstgeschichte, Landes- und Volkskunde. Das
damals schon hervorragend illustrierte Periodikum wurde Anfang der
20er Jahre in "Ostbairische Grenzmarken"
umgetauft und besteht unter diesem Titel bis heute. Im sechsten Heft
des ersten Jahrgangs veröffentlichte Bieringer
einen Aufsatz über den Kötztinger Pfingstritt. Er war – "offenen
Sinnes und warmen Herzens" – ein interessierter
Zuschauer und kundiger Beobachter des 500jährigen Jubiläumsrittes,
sah sich gründlich im Markt Kötzting und in der
Kirche von Steinbühl um und ging der Ortsgeschichte nach. So verdanken
wir dem Passauer neben einer lebendigen
Reportage des Pfingstritts von 1912 auch bemerkenswerte, heute schon
vergessene Details im Gesicht des Marktes
und der Pfingtsreiterkirche (Ludwig Baumann).
Am 27. Mai wurde in Kötzting der althergebrachte Pfingstritt besonders
festlich begangen, da das 500-jährige Jubiläum seines
Bestehens gefeiert wurde. Im Jahre 1412 sollte nämlich ein Pfarrer
von Kötzting spät nachts einen Versehgang nach Steinbühl
machen, hatte aber wegen der Raubtiere und des Gesindels, das in dem
zwischen beiden Orten liegenden Walde hauste,
gerechtfertigte Bedenken und erbat sich die Begleitung junger Männer
von Kötzting, die ihn zu Pferde auch ungefährdet nach
Steinbühl und zurück brachten. Daraus soll nach der Tradition
der jährliche Pfingstritt entstanden sein.
In Wirklichkeit wird der Ritt viel älteren – vielleicht fast zwölfhundert-jährigen
Ursprungs sein. Er geht zurück auf jene zu Beginn
des Frühjahrs abgehaltenen Feste der heidnischen Vorzeit, welche
die Wiederkehr der fruchtbringenden Götter feierten. Solche
Feiern bestanden bei den Germanen und Slaven in Opfern, Flurumgängen
und wo die Volkssassen Pferdezucht pflegten,
Flurumritten. Unter dem Einfluß der Christianisierung erhielten
diese Sitten dann ein kirchliches Gewand und haben sich da und
dort noch erhalten. Als Beispiel für mehrere sei genannt der gleichfalls
in den Frühjahrsbeginn fallende Georgiritt zu Traunstein in
Oberbayern. Besonders üblich sind solche Osterritte heute noch
unter den slavischen Wenden und in der
sächsisch-preußischen Oberlausitz. Daß in Kötzting
erst zu Pfingsten ein solcher Ritt abgehalten wird, erklärt sich einfach
daraus, daß im inneren bayerischen Wald erst zu dieser Zeit das
Frühjahr wirklich einsetzt. Mit dieser Feier verband sich im
Laufe der Zeit die öffentliche Auszeichnung eines Ortsangehörigen
für lobenswerten Lebenswandel mit dem "Tugendkranz", wie
solche im Mittelalter an vielen Orten stattfand.
Die allzeit lebendige Volkssage, welche inneren Zusammenhang gerne vergißt,
dafür äußerlich ähnliche Tatsachen gerne
verbindet, hat im Laufe der Jahre den Pfingstritt mit der erwähnten
Episode aus dem Jahre 1412 zusammengestellt, welche
wohl den Tatsachen entsprechen wird, aus inneren Gründen aber
kaum der wirkliche Ursprung des Pfingstrittes sein kann.
Urkundliche Beweise sind nicht mehr erhalten, da ja die Kötztinger
Urkunden verbrannt sind. Nur ein Fahnenbild von 1782
nennt das Datum von 1412.
Kötzting muß nach der Endsilbe seines Namens eine Siedlung
aus der Zeit der Landnahme durch die Baiwaren sein, wird also
schon im 6. Jahrhundert entstanden sein. Urkundliche Erwähnung
als Chostingen findet erst 1073 in einer Legatsbestätigung
Kaiser Heinrich IV. Darin wird die Kirche zu Kötzting benannt,
welche an Kloster Rott überwiesen wird (Die sog.
Gründungsurkunde des Klosters Rott von 1073 wurde von der neueren
Geschichtsforschung als Fälschung
nachgewiesen. Die Gründung geschah zwischen 1081 und 1085, L.
B.). Der freie Adelssitz der Herrn von Chostingen ging
später in das Eigentum der bayerischen Herzöge über.
So bestand im Ort eine Doppelherrschaft, denn neben den herzoglichen
Pflegern waltete ein Propst über die Gotteshausleute.
Solche werden erwähnt aus den Adelsgeschlechtern von Hohenwarth,
Runding, Pfahl, Chamerau usw. 1344 bestätigte Kaiser
Ludwig der Bayer seinen Bürgern von Kötzting die Hofmarksrechte
(Marktrechte, L. B.); aber auch die Äbte von Rott waren
besorgt um Wohl und Recht ihrer Untertanen. Im Jahre 1400 wurden die
Propsteirechte schriftlich niedergelegt, damit kein
Landrichter sich da einmengen könne, aber auch damit kein Propst
über Gebühr Scharwerk und dergleichen fordere usw. 1461
nahmen die Herzöge Johann und Sigmund in Person den Huldigungseid
zu Kötzting entgegen. Im 15. Jahrhundert wurden nur
durch die Tapferkeit des Ritters Erasmus von Sattelpogen die Hussiten
von Kötzting ferngehalten; im Böcklerkrieg hatte der
Markt wenig zu leiden, dagegen wurde er 1491 im Kampfe mit dem Löwlerbund
berannt. Im 30jährigen Krieg vollbrachten
besonders die Schweden 1633, 41 und 48 entmenschte Taten. Bei der Plünderung
von 1633 wurden auch sämtliche Urkunden
vernichtet; aus Schreck vor der Soldateska flohen viele Einwohner für
lange Zeit in die Wälder. 1583, 1649 und 1713
dezimierte die Pest, 1700–1702 der Hunger die Einwohnerschaft. Große
Brände sind zu verzeichnen aus den Jahren 1602,
1633 und 1641, dann 1717, 1867, 1891 und 1899, so daß ältere
Bauten fast nirgends mehr stehen. Einen neuen Aufschwung
brachte der Anschluß an den allgemeinen Verkehr 1892 durch die
Bahnlinie Cham–Kötzting und 1894 durch die Linie
Kötzting–Lam. Kötzting tut auch alles, um Fremden einen angenehmen
Aufenthalt zu bieten. Am Ludwigsberg wurden schöne
Anlagen geschaffen, eine Allee in der Richtung nach Weißenregen,
Waldwege am Gehsberge, ausgedehnte Wegmarkierungen
zum Hohenbogen und ins herrliche Keitersberggebiet. Ausführliches
über die Umgebung siehe in Mayenbergs Führer durch den
bayerischen Wald.
Der Markt bietet in seinen Hauptstraßen einen fast städtischen
Charakter; leider wurden auch in den stillen Nebengassen
gerade aus Anlaß des letzten Pfingstrittes die letzten charakteristischen
Holzhäuser mit Mörtel beworfen. Die neueren
Steinbauten haben die typische Erscheinung. Von der Existenz der alten
Befestigung des Marktes spricht eigentlich nur mehr
der Name Thorstraße. Mehrfach finden sich noch über den
Hauseingängen beachtenswerte Skulpturen. So am Gasthof zur
Post ein St. Johann Nep., daneben am Brothaus eine Marienfigur, in
der Gehringstraße 137 eine Darstellung der hl.
Dreifaltigkeit in drei Personen, an Haus Nr. 134 eine sehr frühe
Pieta. Ein fein geschmiedetes Wirtshausschild befindet sich am
Gasthaus zum "goldenen Adler" ein anderes an der "Gans". Am Rathaus,
einem Bau des 18. Jahrhunderts, interessieren uns die
beiden lateinischen Aufschriften: an der Westseite weist die Inschrift:
Ludovicus Bavaricus Romanorum Imperator hius loci
erector 1344 auf die verschiedenen durch Kaiser Ludwig den Bayern verliehenen
Privilegien hin. An der Südseite lesen wir:
Maximilianus Josefus elector huius loci restaurator 1756. Nicht weit
vom Rathaus liegt die St. Vituskapelle. Mit dem
Wiederaufbau der seinerzeit von den Schweden zerstörten Kirche
wurde 1645 begonnen und sie erhielt einen hübschen
Barockturm, wie eine Ansicht vom Jahr 1726 ausweist. Dieser bekam später
einen Spitzhelm aufgesetzt.
Die interessanteste bauliche Anlage bietet das Schloß (jetzt Forstamt
und Pfarrhof), wo die herzoglichen Pfleger ihren Sitz
hatten, und die im Schloßhofe stehende Pfarrkirche. Ein gut erhaltener
Graben, jetzt mit Obstbäumen bepflanzt, ein Turm aus
gotischer Zeit und Batterietürme späterer Zeit könnten
von Fehden, Belagerungen und schweren Kämpfen viel erzählen.
Links
vom Eingang steht die Jahreszahl 1459. Wahrscheinlich wird die Schloßkapelle
schon in frühester Zeit allgemein zugänglich
gewesen sein und Pfarrkirchenrechte im Jahre 1232 erhalten haben. Aus
der ersten Kirchenanlage stammt noch der jetzt am
südlichen Seitenaltar stehende romanische Taufstein (1979 dort
ausgegraben, seitdem in der Seelenkapelle, L. B.), später ist
wohl die Annaselbdrittgruppe in der St. Annakapelle. Von einem späteren
gotischen Bau rührt wohl der Weihwasserkessel in
der nordwestlichen Friedhofsabteilung her. Die derzeitige Pfarrkirche
ist ein Neubau aus dem Jahre 1767, der vor einigen
Jahren restauriert wurde. Den einschiffigen Bau deckt im Langhaus und
Presbyterium ein hohes Tonnengewölbe mit
Stichkappen. Die Raumwirkung ist eine gute. Der leichte Ornamentstuck
und der helle Ton der Tünchung sind zeitgemäß. Die
ganze Einrichtung (Altäre, Kanzel, Orgelgehäuse und Betstühle)
stammt aus der Zeit der Erbauung (Die Kirchenbänke wurden
erst 1823–1828 angefertigt, L. B.). Weiß, Braun und Gold sind
die Grundtöne ihrer Fassung. Die schön bekrönten
Beichtstühle passen sich vorzüglich in die Kirchenwände
ein. An den Wänden stehen Grabplatten von 1671 bis 1794. Im
Friedhofe, der nur mehr Begräbnisstätten einiger Bürgerfamilien
enthält, finden sich im südlichen Teil einige hübsche
geschmiedete Grabkreuze und das schon wegen der Trachten interessante
Grabmal der Passauer Kollmayerschen
Freundschaft vom Jahre 1818. An der Nordwand der Kirche sind einige
Renaissance–Marmorgrabplatten eingelassen. Der
ehedem an der Westseite des Langhauses stehende Turm wurde wegen Baufälligkeit
1767 neu gebaut. Von den in ihm
hängenden Glocken ist eine noch aus der gotischen Zeit, die andere
1787 von Hans Florido in Straubing gegossen.
Bauverwalter des Turmes und Presbyteriums war der 1794 im 79. Jahre
verschiedene Samuel Luckner, wie auf seinem
Grabstein zu lesen ist. Südlich der Pfarrkirche steht die St.
Anna-Kapelle, eine rechteckige, flachgedeckte Anlage mit 3
Barockaltären. Diese Kapelle diente hervorragenden Kötztingern
in der Zeit von 1726 bis 1825 als Begräbnisstätte.
Das Endziel des Pfingstrittes ist S t e i n b ü h l , mit einer
dem heiligen Nikolaus 1352 geweihten Filial-, jetzt Expositur-Kirche.
Einer solcher wird jedoch schon 1224 gedacht. 1398 stifteten die Nikolaus
und Thomann Nußberger darin einen geregelten
Gottesdienst. Die Kirche liegt auf einer kleinen Anhöhe. Von der
alten Anlage existiert noch der quadratische Chor und das
Untergeschoß des Turmes mit seinen ca. 120 Zentimeter starken
Mauern. In Dachgiebelhöhe geht der Turmbau ins Achteck
über und wird von einer barocken Zwiebel mit Laternenaufsatz abgeschlossen.
An der Westseite des Langhauses steht eine
Vorhalle mit der Jahreszahl 1689. Hier führt eine Türe mit
primitivem Eisenbeschläge in die Kirche, an welcher gegen 30
Votivhufeisen angenagelt sind. Das einschiffige Langhaus ist flachgedeckt,
der eingezogene Chor hat ein Kreuzgewölbe mit
schweren Rippen, wie sie in der mittleren gotischen Zeit üblich
waren. Interessant sind die Kragsteine für die Rippen; ca. 25
Zentimeter hoch, zeigen sie in guter Charakteristik drei Männer-
und einen Frauenkopf, welche von der Tradition für die Bilder
des Stifters und seiner Frau, des Pfarrers von Kötzting und des
Bischofs erklärt werden. Zu dem nördlich angebauten Turm
führt eine spitzbogige Eichentüre, welche ähnlich wie
die am Eingang beschlagen ist; rechts davon die Nische des
Sakramentshäuschens. Altäre und Predigtstuhl stammen aus
dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Vom Triumphbogen hängt eine
Skulptur der gleichen Zeit, Madonna im Rosenkranz, herab. Im Langhaus
und in der Vorhalle stehen verschiedene gute Figuren
des ehemaligen Hochaltars von ca. 1480. Im Turm hängt noch eine
undatierte gotische Glocke und zwei andere vom Jahre
1794 (Straubing) und 1752 (Stadtamhof).
Die 500–Jahrfeier des Pfingstrittes wurde in Kötzting eingeleitet
am Abend des Pfingstsonntags durch einen Zapfenstreich, der
durch den mit Tannenreis und Fahnen gezierten Markt zog. Auf den umliegenden
Höhen des Riedelsteines und von
Weißenregen brannten Bergfeuer. Den Festtag selbst leiteten schon
5 Uhr morgens Böllerschüsse und Musik ein. Um 7 Uhr
begann die Aufstellung des Zuges, der sich unter Glockenläuten
um 8 Uhr in Bewegung setzte. Er wurde in der althergebrachten
Reihenfolge zusammengestellt und eröffnet von dem Kreuzträger,
dem zwei Laternenträger und zwei Trompeter folgten. Vier
Geistliche beteiligten sich zu Pferde am Zug, Herr Kooperator Schmidt,
der auf dem silbernen Brustkreuz das goldene
Kränzchen trug, dann die früheren Herren Kooperatoren Riederer
(er war 1912 noch 1. Kooperator in Kötzting, L. B.),
Senft und Späth. Ihnen schloß sich an eine Gruppe früherer
Pfingstkranzträger. Nach der Marktfahne, die von vier Reitern in
alter Tracht begleitet wurde, kamen in schier endlosem Zuge paarweise
die Reiter, deren heuer 445 teilnahmen. Mit lautem
Gebet ging es aus dem Markt hinaus ins Zellertal. Alle Häuser
bis Steinbühl sind mit Kränzen geschmückt, an den
Ortseingängen stehen mit Blumen besteckte Triumphbogen, an den
Feldkreuzen und den Totenbrettern Birkenstämmchen,
gerade wie bei der Fronleichnamsprozession. An vier Stellen wurden
die Evangelien abgesungen und in Steinbühl zum Schluß
eine feierliche Messe gelesen, worauf der Zug seine Rückkehr antrat.
Inzwischen wurde in Kötzting selbst, bei der St. Veitskirche eine
Feldmesse gelesen, der die Schulkinder, eine große Menge
Volkes und auch viele Vereine anwohnten, welche zur Erinnerung eigene
Fahnenbänder gestiftet erhielten. Um 11 Uhr kürzte
ein Ständchen der Militärmusik aus Straubing vor dem Rathaus
die Zeit ab, bis man sich zum Empfang der rückkehrenden
Pfingstreiter aufstellte. Betend zogen diese in die Herrenstraße
ein. Jeden Teilnehmer schmückte eine Erinnerungsmedaille.
Ungemein malerisch wirkten die zahlreichen grünen Fähnchen,
die bekunden, daß ihr Besitzer den Ritt schon zum 25. Male
mitgemacht hat. Ein Reiter nahm heuer schon zum 45. Male teil. Den
Kötztingern wurde die sogenannte Bürgerfahne
vorausgetragen; sie stammt aus dem Jahre 1855 und hat das Bild des
hl. Joseph mit Kind. Das Bild der älteren Fahne vom
Jahre 1782 ist im Rathaus aufbewahrt; es zeigt auf der einen Seite
die durch die Landschaft sich bewegenden Pfingstreiter in
der damaligen malerischen Tracht. Ihre Unterrschrift ist die einzige
erhaltene Urkunde für das Jahr 1412 als Anfang des
Pfingstrittes.
Die Bauernfahne, welche den Reitern aus der Umgegend vorangeführt
wird, stammt aus dem Jahre 1863, eine ältere von 1789.
Auf der einen Seite ist die Madonna mit dem Kind, auf der anderen das
Kötztinger Wappen abgebildet.
Man kann den Stolz dieser Reiter mitempfinden, wenn man sie auf ihren
schönen Rossen vorbeireiten sieht. Das Pferd ein
kräftiger Schlag, der Reiter nicht minder. Für das Fest nahmen
sie aus ihren Kästen den Spenser, das rote Gilet von Seide oder
Samt, mit den silbernen Knöpfen. Andere wieder wählten den
blauen langen Rock aus Altvaters Zeit, mit den großen
schwarzen Knöpfen. Um den Halskragen war ein seidenes geblümtes
Tuch in Rosa, Grün oder Blau geschlungen. Auf dem
schmal gekrämpten dunklen Filzhut, den manchmal noch eine schwarze
Quaste ziert, steckte ein Sträußchen, manchmal von
Myrthen, häufiger aber von künstlichen Blumen. So machte
das Ganze, trotzdem in der Gegend eine eigentliche Volkstracht
sich nicht mehr findet, doch einen geschlossenen, malerischen Eindruck.
Auch das Pferd erhielt das Schönste angelegt, was die
Sattelkammer bot. Hervorgesucht wurden Sättel mit geschnitzten
oder gegossenen Zierrat, hatte man keine roten, braunen oder
blauen Satteldecken mit Gold oder Silberborten, so wurde eben die Filzdecke
mit allerlei Blümchen besteckt, ebenso die
Mähne und der Schweif geziert, selbst moderner Weihnachtstand
wie Lametta fand Verwendung. Nicht minder konnte man am
Zaumzeug alte Sattlerhandwerkskunst bewundern; mit besonderem Geschmack
haben es die alten Meister verstanden, das
Lederzeug grün oder rot zu fassen, weiß oder gelb zu beschlagen
und mit schwerem Messinggehänge zu verzieren.
Eine große Menschenmenge und eine Anzahl Vereine mit 15 Fahnen
hatte die Pfingstreiter erwartet und zog nun mit ihnen nach
dem Festplatz am Bleichanger. Hier erfolgte mit feierlichen Ansprachen
die Überreichung der Ehrenfahne für 25 Pfingstritte und
des Pfingstkränzchens an den Auserwählten. Als solcher kann
nur ein durch tugendhaften Lebenswandel ausgezeichneter
Kötztinger Bürgerssohn in Betracht kommen; solche schlägt
der Magistrat drei vor, aus denen der Pfarrer wählt. In jeder
Familiengeneration kann nur einmal der Pfingstkranz erworben werden.
War der Vater Inhaber, so strebt ihn natürlich auch der
Sohn an; so waren in der Meßnerfamilie Obermaier vier Geschlechter,
vom Urgroßvater bis zum Sohn Träger des
Pfingstkränzchens. Ausnahmsweise erhielt 1890 der unverheiratete
86jährige Schloßgärtner Mittermaier zum zweiten Male in
seinem Leben den Kranz. Dieser bringt verschiedene Ehren mit sich.
Heuer war Notariatsbuchhalter F. Liebl der Auserwählte.
Der gesamte Zug kehrte nun unter Glockengeläute in den Markt zurück,
wo er sich auflöste. Damit war der eigentliche Teil der
Feier beendet. Der Träger des Pfingstkränzchens aber begab
sich nun in entsprechender Begleitung zu Pfarrer und
Bürgermeister, um sich für die Ehrung zu bedanken und sie
sowie die Honorationen zum "Hochzeitsmahl" einzuladen. Denn
nach alter Sitte hat er sich als Pfingstbräutigam nach freier
Wahl eine unbescholtene Jungfrau als Pfingstbraut zu suchen, welche
diesmal die Bankierstochter Marie Liebl war. Feierlich wurde sie abgeholt
und zu Mahl und Tanz geführt.
Für den Besucher aus der Ferne, welcher offenen Sinnes und warmen
Herzens dem Pfingstritt anwohnte, bot die Feier den
Anlaß zu mannigfachen Betrachtungen. Wie selten sind in unserer
raschlebigen Zeit, die schon die 25-, ja gar 10-jährige Dauer
irgend eines Zustandes als Jubiläum feiert, Feste, die auf einen
Bestand von 500 und noch mehr Jahren zurückblicken können!
Was man an Schmuck der Teilnehmer und ihrer Pferde erblicken konnte,
ließ erkennen, daß erfreulicher Weise der alte wahre
Geschmack im Volke noch fortlebt. Am meisten aber konnte einem das
Herz aufgehen über die Auffassung, von der die ganze
Veranstaltung getragen war: nicht ein Schauspiel war es, von einem
Verein eingerichtet und von gewinnsüchtigen Einwohnern
vor einem bezahlenden und daher kritischen Publikum gespielt, sondern
eine aus wahrem Herzensbedürfnis entspringende, von
gläubigem Sinn erfüllte Feier, die Teilnehmer wie Zuschauer
in gleichem Maße unter ihren Eindruck zwang. Darin liegt die
Gewähr, daß der alte Brauch des Pfingstrittes nicht eingehen,
sondern auch noch sein tausendjähriges Bestehen feiern wird.