Ludwig Baumann
" . . . in meiner Anlage zu Regenstein eine Kapelle erbaut"
Die Angelegenheit war für die damalige Zeit – und wäre es
auch heute – höchst ungewöhnlich, ja befremdlich: Da schreibt
ein
gewisser J. M. Schneider, königlicher Advokat in Straubing, im
Juli 1888 an den Bischof in Regensburg, er habe im vorigen
Jahr in seiner "Anlage zu Regenstein" ein Kirchlein respektive eine
Kapelle zu Ehren der hl. Magdalena erbaut. Das Ordinariat
möge den zuständigen Pfarrer zu Blaibach anweisen, sie zu
weihen. Auf Anfrage erfährt die bischöfliche Behörde vom
Blaibacher Pfarrer Nußbaum, der Bittsteller habe noch nie mit
ihm gesprochen, er sei ihm nicht einmal bekannt, noch weniger
habe er ihm den Kapellenbau "notifiziert" (angezeigt).
Da verwundert es nicht, daß der Pfarrer in seinem Bericht Bedenken
äußert und dies und jenes aussetzt. Er anerkennt, daß
die
Kapelle, "in der Mitte eines Berges erbaut, einen freundlichen Anblick
gewährt und hübsch ausgestattet ist". Kapellen
bei Dörfern, so meint er, haben einen großen Nutzen. Dort
wird samstags der Rosenkranz gebetet und am Sonntag nachmittag
finden sich die Leute zur Andacht ein. Aber in Regenstein steht weit
und breit kein Haus, nur "das Fabrikgebäude und das
Wohnhaus des Verwalters" befinden sich in der Nähe. Außerdem
habe der Erbauer keinerlei Vorsorge für den zukünftigen
Bauunterhalt der Kapelle getroffen.
Überhaupt machte sich Pfarrer Nußbaum über die Zukunft
des Kirchleins seine besonderen Gedanken. Wenn die Fabrik in
Regenstein einmal, so meinte er, in die Hände eines Nichtkatholiken
oder gar eines Israeliten geraten sollte, wird er es kaum
versäumen, nach Beseitigung aller religiösen Zeichen die
Kapelle innen und außen mit allem Komfort eines Sommerhäuschens
auszustatten. Die Lage dort sei so günstig und angenehm, daß
man im Sommer der Nachmittagsruhe pflegen und etwa auch den
Nachmittags- oder Abendimbiß einnehmen könnte.
Der pfarramtliche Bericht verfehlte im bischöflichen Ordinariat
offensichtlich seine Wirkung nicht. Dem Fabrikbesitzer wurde
bedeutet: Es hätte sich geziemt, vor Inangriffnahme des Kapellenbaus
das Pfarramt und das Ordinariat in Kenntnis zu setzen. Im
übrigen könne ein Gesuch um die Benediktion mit Aussicht
auf Erfolg erst eingereicht werden, wenn die bauliche
Unterhaltspflicht durch eine Hypothek gesichert sei. Mehr enthält
der Akt nicht.
Es ist nicht bekannt, ob Schneider danach noch Interesse an der Kapellenweihe
hatte. Möglicherweise fühlte er sich auch vor
den Kopf gestoßen. Denn er hatte die Kapelle nicht aus einer
oberflächlichen Laune heraus gebaut. Hintergrund waren ein
Unglück in der Familie, Not und Trauer, die man mit dem Kapellenbau
aufzuarbeiten suchte. Darüber berichten die Akten
nichts, wohl aber die Tradition der nachfolgenden Besitzer des "Waldfrieden".
Die kürzlich verstorbene, hochbetagte Frau Hilde
Gmach erzählte: Nachdem der Gründer der Holzstoffabrik Regenstein
Maximilian Schmidt, genannt Waldschmidt, wegen
wirtschaftlicher Schwierigkeiten verkaufen mußte, betrieb J.
M. Schneider die Fabrik. Sein einziger Sohn besuchte das
Gymnasium in Straubing. Als seine Klasse in der Donau beim Schwimmen
war, ertrank er. In ihrer Not gelobte die Mutter den
Bau einer Kapelle, wenn wenigstens der Leichnam des verunglückten
Kindes gefunden würde. Die Kapelle sollte den Heiligen
zum Patron haben, an dessen Namenstag der Sohn geborgen wird. Man fand
ihn am 22. Juli, am Magdalenentag.
Die Unterlagen im Kötztinger Pfarrarchiv – Regenstein wurde mit
Weißenregen 1922 umgepfarrt verraten nur soviel, daß 1938
Pfarrer Rosenheimer die oberhirtliche Erlaubnis bekam, alljährlich
am Magdalenentag eine hl. Messe am Regenstein feiern zu
dürfen. Den nachfolgenden Pfarrern wurde die Genehmigung für
die Zeit ihrer Amtsdauer verlängert.
Die Befürchtungen Pfarrer Nußbaums wegen einer möglichen
Profanierung traten jedenfalls nicht ein. Bis zum heutigen Tag wird
die Magdalenenkapelle liebevoll unterhalten, obwohl Regenstein zwischenzeitlich,
bis zum Naziregime, im Besitz einer jüdischen
Familie war.
Quellen:
Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg: Blaibach, Schneidersche Kapelle zu Regenstein.
Pfarrarchiv Kötzting: 22 G, Altarprivilegien, Magdalenenkapelle.
Mitteilung von Hilde Gmach 1984.