Ludwig Baumann
" . . . alle drei Jahre ein Vereinsfest in Kötzting"
Feste feiern, das können die Kötztinger! Neben dem Pfingstritt
mit der einzigartigen Komposition von geistlichem und
weltlichem Brauchtum hat sich auch das Bürgerfest einen sicheren
Termin im Kötztinger Veranstaltungskalender erobert. Ein
Fest für die Bürger und die Bewohner des Landgerichts hatte
schon in den 1850er und 60er Jahren eine gewisse Tradition
entwickelt: das "landwirtschaftliche Vereinsfest". Auch wenn der Name
täuscht, es war für die Kötztinger ein Bürgerfest.
Sie
alle, die Beamtenschaft ausgenommen, betrieben neben ihrem sonstigen
Gewerbe eine Landwirtschaft. Grund und Boden und
Vieh im Stall galt unter den Bürgern damals als Statussymbol –
je mehr Grundbesitz, umso höherwertig das Anwesen, umso
gewichtiger das Ansehen.
Das "landwirtschaftliche Vereinsfest" wurde in der Regel alle drei Jahre
in Kötzting abgehalten. Als besonderer Förderer stand
Carl von Paur dahinter, der Landrichter und spätere Bezirksamtmann,
dem die Kultivierung und Aufforstung der öd liegenden,
nur zur Weide benützten Flächen, die Modernisierung der Landwirtschaft
und die Hebung der Viehzucht ein Anliegen war.
Dreimal wurde das Vereinsfest auf "seinem" Ludwigsberg veranstaltet.
Ab 1861 verlegte man den Festplatz "in die Nähe der
Fronfeste", also auf das Gelände des Finanzamtes und seiner Nachbargebäude
gegen die Post zu.
Wie man damals feierte und welche Ziele man mit der Veranstaltung verfolgte,
ist uns in ausführlichen Programmentwürfen und
in mit lithographischen Verfahren gedruckten Programmzetteln überliefert.
Nehmen wir das Jahr 1864 als Beispiel und
Illustrierung.
Am Sonntag, den 18. September trafen sich früh um acht Uhr die
Mitglieder des "landwirtschaftlichen Bezirks Comité– und
Filial–Vereins Kötzting" vor dem Rathaus zum festlichen Kirchenzug.
In der Pfarrkirche wurde ein Lob- und Dankamt
"abgehalten". Nach dem Gottesdienst zog man wiederum im Festzug zum
Rathaus zurück, wo eine "landwirtschaftliche
Besprechung und Bildung des Preisgerichts" stattfand. Um zehn Uhr wurde
auf dem Platz vor der Fronfeste das aufgetriebene
Preisvieh bewertet und die "Verlosung zum Pferderennen" vorgenommen.
Nach dem Mittagessen um ein Uhr zog man mit der Landwehrmusik, den Preisfahnen
und den Preisen wiederum zum
Festplatz. Dort wurden folgende Preise vergeben: Der Knecht und die
Magd im Bezirksamtsbereich, die die längste Zeit "bei
ein und derselben Dienstherrschaft dienen", bekamen je 5 Gulden. Das
war immerhin ein Achtel bzw. ein Fünftel des
Jahreslohnes, der neben Kost und Wohnung nach altem Brauch am Lichtmeßtag
bar ausbezahlt wurde. Die Dienstzeit mußte
mit einem Zeugnis der Heimatgemeinde nachgewiesen werden. Mit einen
"Vereinsthaler" und einem Buchpreis wurde der
Landwirt ausgezeichnet, der sich in den letzten drei Jahren durch Anlegung
einer neuen "Obstbaumschule" verdient gemacht hat.
Mit den höchsten Preisen – 8 bis 15 Gulden und je eine "seidene
Fahne" – wurden die Zuchttiere prämiert: Hengstpferde,
Stuten, Zuchtstiere, Kühe.
Um halb zwei Uhr öffnete der Glückshafen. In der "Glücksbude"
wurden neben 12500 Nieten 1500 Gewinnlose verkauft.
Immerhin, 1000 Gulden waren die "Gewinnste" wert. Neben Kleingewinnen
lockten moderne landwirtschaftliche Geräte, wie
eiserne Pflüge, Wiesenbeile, Rasenschaufeln, ein Krauthobel, eine
Patent-Handspritze, eine Holzspaltmaschine und ein
Sackhalter. Diese Geräte wurden deutschlandweit eingekauft. Sie
kamen aus Schleißheim, Frankfurt und Berlin. Für die
Transportkosten mußte die gleiche Summe ausgegeben werden, die
der Hauptpreis, ein eiserner Pflug kostete, nämlich 24
Gulden. Während die ersten Lose verkauft wurden, vergnügte
sich die Jugend mit Baumklettern, Ringelstechen und "weiteren
Volksbelustigungen". Um vier Uhr nachmittag war ein Pferderennen angesagt.
Die fünf schnellsten Reiter wurden mit seidenen
Fahnen und Geldpreisen von 2 bis 8 Gulden belohnt. Der erste Tag schloß
mit einem "bei Herrn Kollmaier veranstalteten
Festball".
Den Montag, den zweiten Festtag, begann die Schützengesellschaft
mit einem von Musik begleiteten feierlichen Auszug vom
Rathaus auf die Schießstätte. Dann folgte das Festschießen.
Gleichzeitig war der Glückshafen wieder geöffnet, und um vier
Uhr
nachmittag wurden die Gewinne ausgelost. Zum Abschluß des Festes
gab es nach eingetretener Dämmerung ein Feuerwerk.
Es lassen sich durchaus Parallelen finden zwischen den Festen von damals
und heute: das gesellige Feiern und die vergnügte
Unterhaltung, der Wettkampf und das Kräftemessen, die alle verbindende
Musik, eine bemerkenswerte und imponierende
Feierkultur und nicht zuletzt der mit dem erwirtschafteten Geld erzielte
Zweck – einst die Förderung und Modernisierung der
auch im Markt Kötzting bedeutenden Landwirtschaft, jetzt die durch
Vereinsinitiative begonnene und ungebrochen in
Bewegung gehaltene Verbesserung und "Kultivierung" des Stadtbildes.
Quellen:
Stadtarchiv Kötzting, XV/60 Die Abhaltung des landwirtschaftlichen Vereinsfestes 1857.
–, XV/61 Die Abhaltung eines landwirtschaftlichen Vereinsfestes 1861.
–, XV/62 Die Abhaltung eines landwirtschaftlichen Vereinsfestes 1864.
–, XV/63 Landwirtschaftliches Fest 1869.
–, Carl von Paur: Gedenkblätter zur Ortsgeschichte des Marktes
Kötzting von 1800 bis 1871, Manuskript.
Bildtexte:
Festprogramm des landwirtschaftlichen Vereinsfestes zu Kötzting
1861, Lithographie von Jacob (StA Kötzting, XV/61). Der
aus Regen stammende Johann Ev. Jacob betrieb ab 1855 in Kötzting
(Müllerstr. 1) eine "lithographische Anstalt", die er 1874
mit einer Buchdruckerei und der Herausgabe des "Kötztinger Wochenblatt"
erweiterte. 1877 wechselte er nach Cham.
Älteste Aufnahme von Kötzting (1894). Ab 1861 diente als Festplatz
für das "landwirtschaftliche Vereinsfest" das Gelände
hinter den Scheunen, links der Fronfeste (später Gesundheitsamt).
Foto im StA Kötzting V/99.