Von Altötting bis gegen Kelheim, von Mammendorf bei Fürstenfeldbruck
bis Kötzting richtete er Kirchen als „liebliche Wohnungen Gottes“
(Psalm 82) ein. Und seine Putten, diese pausbackigen, stups-nasigen, wohlgenährten
„Kindl“, die Sympathie und Zuwendung wecken, bersten vor himmlischem Glück.
Im vergangenen Winter ehrten ihn die Landshuter mit einer beeindruckenden
und vielbesuchten Ausstellung in der renovierten Spitalkirche Heiliggeist
– Christian Jorhan d. Ä. (1727–1804).
Im Kötzting der 1770er Jahre waren die Symathien für Christian
Jorhans „Kindl“ gespalten. Schließ-lich wurden sie Opfer eines tiefgreifenden,
das öffentliche Leben im Markt vergiftenden Streits. Zwei intelligente
Köpfe waren aneinander geraten, der Pfarrer und der Bürgermeister.
Der Benediktinerpater Gregor Mack war 1759 von seiner Abtei Rott am Inn
nach Kötzting als Pfarrer und Prior der dortigen Außenstelle
berufen worden. Er muß ein grundgescheiter und tüchtiger Mönch
gewesen sein. Siebzehn Jahre wirkte er in dieser Doppeleigenschaft in Kötzting.
Als 1776 der Rotter Abt das Kloster wegen seines aufwendigen Kirchenbaus
an den Rand des finanziellen Ruins gebracht hatte und resignieren mußte,
setzten die Konventualen ihre Hoffnung auf P. Gregor im fernen Kötzting.
Sie wurden nicht enttäuscht. Abt Gregor Mack (1776–1801) verstand
es, die drückende Schuldenlast zu verringern.
Der Gegenspieler in seiner Kötztinger Zeit, Samuel Luckner, stand
ihm in puncto Geschäftssinn und Organisationsgeschick nicht nach.
Der Chamer Bürgermeisterssohn und Bruder des bekannten französi-schen
Marschalls Nikolaus Luckner übernahm 1736 die neben der Kommunbrauerei
einzige Kötztinger Privatbrauerei mit Gaststätte in der Herrenstraße
(später „die Post“), häufte als kurfürstlicher Hopfen-händler
ein beträchtliches Vermögen an und wurde 1769 zum Amtskammerer
(Bürgermeister) berufen. Drei Jahre vorher hatte ihm das für
den anstehenden Kirchenumbau verantwortliche Gremium das Amt des Kirchenbauverwalters
übertragen.
Wer damals durch die Kötztinger Herrenstraße der Pfarrkirche
zuging, konnte die gespannte Atmo-sphäre sozusagen mit Händen
greifen. Links das weite Geviert der Prioratsgebäude (Pfarrhof und
Öko-nomie, heute Rathaus und Amtsgericht), rechter Hand hatte Luckner
mit seiner Gaststätte, Brauerei und den Stallungen den Benediktinern
ein weltlich-bürgerliches Gegenstück hingebaut. Gegnerschaft
– in die waren beide verstrickt. Sie stritten ums Wasserrecht, um einen
Abwasserkanal aus dem Priorat, wegen der Lucknerischen Schweineställe,
um den „Köstenbaum“ als Wappen- und Siegelzeichen, um den Standort
des neuen Kirchturms und sie überwarfen sich wegen der Seitenaltäre.
Kräftige Worte wurden gewechselt, Briefbögen bündelweise
beschrieben, hohe und höchste geistliche und weltliche Herren, bis
hinauf zu Bischof und Kurfürst, riefen sie um Beistand an.
Mit neuen Seitenaltären sollte der aufwendige Umbau der Pfarrkirche
abgeschlossen und bekrönt werden. Der rechte Altar war herkömmlicherweise
dem Marktpatron, St. Sebastian, zugedacht. Den linken wollte Pater Gregor
Mack seinem Ordensvater Benedikt und den Rotter Hausheiligen Marinus und
Anianus widmen („wie mein Antrag und einziger Wunsch immer ware“). Luckner
dagegen machte sich für einen Magdalenen-Altar stark. Seine Begründung:
„Die Weiber wollen halt auch einen Altar haben.“ Das war nach Pater Gregor
aber nur die halbe Wahrheit. Den eigentlichen Grund fand er darin, „weilen
seine Ehekonsortin also heißet“, Magdalena nämlich.
Der Kirchenbauverwalter Luckner ließ sich durch die Wünsche
des Pfarrers in seinen Aktivitäten nicht hemmen. 1770 konnte er den
„berühmten bürgerlichen Bildhauern zu Landshut“ (Baurechnung),
Christian Jorhan, für die Bildhauerarbeiten gewinnen. Der reiste nach
Kötzting „um Besichtigung der Plätzen“, nahm Maß, zeichnete
einen Riß und berechnete einen „Überschlag“. Für die vier
Seitenaltar-figuren, „5 Schuhe hoch“ (etwa 1,50 Meter) verlangte er 70
Gulden, für „12 Kindl oder Engl“ 60, für „18 Englsköpf“
36 und für die „Zugehörungen bei den Englen und Wolcken“ 10 Gulden.
Die Schrei-nerarbeiten an den Altaraufbauten wurden dem Further Mathias
Fischer um 200 Gulden übertragen, das „Laub- und Muschlwerk, dann
Capiteln und Postamenta“ schnitzte Fideli Ittlsberger von Cham, „al-lermaßen
Herr Jorhan zu Landshut der wahre Künstler im Figuren und Kindln,
nit aber im Laub- und Muschelwerch Schneiden ist“ (168 fl, 24 x, Baurechnung).
Am 19. September 1772 teilte Christian Jorhan dem „besonders hochgeehrtesten
Herrn Kammerer Luckner“ mit, daß die Statuen und Figuren für
die Seitenaltäre fertiggestellt wären und zur Abholung bereitstünden.
Dieser Brief verrät Einzelheiten über die geschäftliche
Abwicklung des Auftrags und gibt Hinweise auf die persönlichen Lebensumstände
des Künstlers. Jorhan schlug vor, die Arbeit mit zwei Fuhren abzuholen,
„auf einmal kan man es nicht aufbacken, wegen Mangel des Plaz; dan einen
so weiten Weg, mus die Sach gut eingepakt werden.“ Die Entlohnung betreffend
erinnerte er daran, daß Luckner mit einer „Handschrift“ versprochen
hatte, die Arbeit bei Abholung zu bezahlen. Schließlich gab er seiner
Hoffnung Ausdruck, etwas mehr als im Vertrag vereinbart zu bekommen, „dan
kein so schlechten und schadhaften Accord [Vertrag] hab ich nicht gehabt,
weil [seit] ich in Landshut bin. Bey dieser Arbeit hab ich all das Meinige
zugesetzt. Ich bitte nur um eine kleine Erkantlichkeit wenig-stens 10 fl
[Gulden] darauf zu geben [. . .] Hoffe also bey Abhollung dieser Arbeit
versprochenerma-ssen die pare Bezalung, dan meine 7 Kinder wollen täglich
essen, und anders hab ich nichts, als was ich mit der Arbeit verdiene.“
Jorhan verlangte und bekam für seine Arbeit kein „Künstlerhonorar“.
Er wurde als Handwerker bezahlt. Die vier qualitätvollen Seitenaltarfiguren
(Rochus, Donatus, Barbara, Thekla) wurden lediglich mit je 17 Gulden 30
Kreuzern entlohnt. Für einen Ackerwagen mußte man seinerzeit
die gleiche Summe auf den Tisch legen. Die erste Wagenladung mit den Altarheiligen
kam gerade noch rechtzeitig zur Konsekration der Pfarrkirche in Kötzting
an (29. September 1772). Gegen alle Einsprüche des Pfarrers weihte
der Regensburger Weihbischof den linken Seitenaltar zu Ehren der hl. Magdalena.
Luckner und die „Weiber“ hatten sich durchgesetzt.
Aber Pater Gregor gab sich nicht geschlagen. Knappe drei Wochen nach
der festlichen Kirchweih sah sich Samuel Luckner veranlaßt, einen
Beschwerdebrief gegen ihn ans bischöfliche Ordinariat zu schrei-ben.
Der Pfarrer hole zum letzten Stoß aus, wolle die für die beiden
oberen Teile der Seitenaltäre in Landshut „uf ietzigen Ardt [. . .]
verfertigte Arbeitt“ verwerfen, „wodurch diesen 2 vollig neuen Al-tärn
alle Formlichkeit genommen und all ausgelegtes Geld vor nichts, auch die
Egalitet sambt alle Zirde falle.“
Für die Auszüge der beiden Altäre hatte nämlich
Jorhan im Auftrag Luckners und in Übereinstim-mung mit dem Plan eine
Bildhauerarbeit gefertigt. Pfarrer Mack beschrieb sie geringschätzig
als „eine sogenannte Glori“, bestehend „in 3 bis 4 Engeln und etliche Engl
Köpfeln“ und disqualifizierte sie als „nichts bedeutende Bildhauerey“.
In Wirklichkeit handelte es sich um reich aufgelockerte Bekrönungen
mit je vier Engeln, neun Engelköpfen, Buß- und Marterinstrumenten,
Wolken und Zieraten. Der Pfarrer wollte dagegen, wenn er schon keinen eigenen
Benediktus-Altar durchsetzen konnte, für die beiden Seitenaltäre
gemalte Auszugsbilder mit dem hl. Benedikt und den Rotter Hausheiligen
in Auftrag geben.
Ende Oktober mußte Pater Gregor für einige Tage dienstlich
nach Freising reisen. Schnell entschlos-sen nutzte Luckner die Gunst der
Stunde, ließ die zweite Wagenladung aus Landshut holen und veran-laßte
die schleunigste Montage auf den Altären. Damit wollte er vollendete
Tatsachen schaffen, den Streit auf seine Art und in seinem Sinn beenden.
Auf diesem Höhepunkt der Auseinandersetzung beauf-tragte das Regenburger
Ordinariat den Dekan von Viechtech, Andreas Hofséeß, die Hintergründe
des Streits aufzuhellen und den Unfrieden aus der Welt zu schaffen. Beide
Parteien aber „blieben unbieg-sam auf ihrer gefaßten Meinung“ und
der Pfarrer bestand auf der Entfernung der geschnitzten „Glori“. Als ihn
der Dekan auf die zusätzlichen und unnötigen Kosten hinwies,
erwiderte er, darum sollte sich der „strittige und auf seinen Reichtum
sich verlassende und trotzende Kammerer Luckner“ nicht kümmern. Die
Bilder würden auf Kosten des Klosters gemalt. Für seine vergeblichen
Vermittlungsver-suche wurden dem Dekan übrigens 14 Gulden ausbezahlt.
Erinnern wir uns: Christian Jorhan bekam für eine Heiligenfigur, für
die elegante Thekla etwa, nur 17 Gulden.
Nach weiterem Hin und Her zog das bischöfliche Ordinariat im Sommer
1773 den Schlußstrich unter den Hader. Es verfügte, daß
an Stelle der Bildhauerarbeiten Jorhans auf den Auszügen der Seitenaltäre
gemalte Bilder (rechts der Tod des hl. Benedikt, links Marinus und Anianus)
auf Kosten der Benedikti-ner angebracht werden sollten. Dies war der Todesstoß
für Christian Jorhans Altarbekrönungen. Weil sich zwei führende
Köpfe nicht leiden mochten, wurden die Kötztinger um ein munteres
Völckchen gefiederter Engelköpfel und pausbäckiger, vor
Gesundheit und himmlichem Glück strotzender Kindl gebracht.
Quellen:
Bischöfliches Zentralarchiv Regensburg: Pfarrakten
Kötzting Nr. 4 (Differnzen zwischen dem Pfarrer und Magistrat).
Diözesanmuseum Regensburg: Nr. 1985/104 (Riß
von Christian Jorhan d. Ä.).
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München: KL Rott/Inn
80.
Pfarrarchiv Kötzting: Nr. 2052 (Seitenaltäre
1771). – Nr. 307 (Baurechnung 1766, 1770).
Stadtarchiv Kötzting: II/16 (Magistrat gegen
Propstei).