Die Häuser Altkötztings
Liste erstellt vom Arbeitskreis Heimatforschung in Kötzting |
September 1998
Kötztinger Häusergeschichte
Schuhhaus Mühlbauer–Liebl (Marktstraße 24)
Die enge Bebauung auf beiden Seiten der Marktstraße löste
auch im alten Kötzting nachbarliche Reibereien und Streitereien aus.
Zwei Aktenbündel im Stadtarchiv zum Haus Nr. 24 belegen, wie derartige
Streitfälle durch umsichtige Vermittlung der Marktverwaltung beigelegt
wurden.
1776 unterfing der damalige Besitzer Johann Korherr seine Stadelwand
mit einer neuen Mauer. Der untere Nachbar, Joseph Silberbauer, behauptete,
daß sie einen halben Schuh breit (15 Zentimeter) auf seinem Grundstück
gebaut wurde. Es kam zum Prozeß vor dem Marktgericht. Beide Parteien
fochten mit Hilfe eines Anwalts (Procurator). Ein Ortstermin wurde festgesetzt,
zu dem zwei sachverständige Baumeister „mit ihren Meßgeräten“
geladen waren. Schließlich konnte der Marktrat einen gütlichen
Vergleich erzielen. Und die Kosten waren, wie auch heute noch in solchen
Fällen, für beide Seiten schmerzhaft fühlbar.
Der zweite Fall zeichnet ein Bild Altkötztings. 1829 plante der
aus Kreuzbach eingeheiratete Martin Fleischmann die Erhöhung des einstöckigen
Hauses mit einem Obergeschoß. Beide Nachbarn erklärten ihre
grundsätzliche Zustimmung, gaben aber zu bedenken, daß „Fleischmann
keine Seitenmauern besitze“, also auf ihren Mauern aufstocken wolle. Und
damit seien sie nicht einverstanden. Die Marktverwaltung schaltete auch
diesmal Sachverständige ein. Die stellten fest, daß die obere
Mauer „halbschuhig“, die untere aber 21 Zoll dick (50 Zentimeter) im Besitz
des Fleisch-mann war. Daraufhin genehmigte der Magistrat den Bau mit folgenden
Auflagen: Die beiden Giebel sind massiv aufzumauern, die Seiten dürfen
nur als Riegelwände (aus Holz) und ohne Fenster gebaut werden, der
Bauherr muß den Dachüberschuß des oberen Nachbarn auf
eigene Kosten verkürzen. Aus diesen Informationen gewinnen wir folgendes
Bild, zumindest für diesen Abschnitt der Marktstraße: Bis 1829
waren diese drei Häuser nur einstöckig, die talseitigen Traufen
lagen über dem Nachbardach, und die Giebelseiten waren der Straße
zugewandt (wie heute noch beim Heiglhaus).
Für die alte Hausnummer 40 konnte der Arbeitskreis Heimatforschung
folgende Besitzer ermitteln:
um 1675 Türank Leonhard, Kramhandler, aus Nußdorf
im Welschland
um 1694 Türank Hans, Kramer
um 1710 Türank Andreas
25. 4. 1711 Dirnberger Hans Georg, Kufner (Heirat: Anna Eva Türank)
18. 11. 1743 Korherr Johannes Peter, Kufner, brauender Bürger,
aus Eschlkam (Heirat: Katharina Dirnberger)
13. 1. 1783 Korherr Veith, ledig
8. 11. 1785 Korherr Peter, Wirt
10. 1. 1799 Wensauer Andreas, Bauerssohn aus Voggendorf (Heirat:
Witwe Katharina Korherr)
7. 7. 1820 Fleischmann Martin, Bauerssohn von Kreuzbach (24.
7. 1820 Hei- rat: Anna Korherr, Tochter des Peter Korherr)
14. 5. 1858 Neumeier Wolfgang, Gastgeber und Ökonom (30.
5. 1858 Heirat: Kreszenz Schreil, Naglschmiedstochter)
um 1870 Brandl Anton
Ludwig Baumann, Clemens Pongratz
Oktober 1998
Kötztinger Häusergeschichte
Fischer-Peter-Haus (Marktstraße 22)
Viele Informationen Alt-Kötztings verdanken wir Streitfällen.
Sie waren oft Anlaß für Zeugen-vernehmungen, Sachverständigengutachten,
Ortsbesichtigungen und Stapel vollbeschriebenen Papiers. 1746 kaufte der
Schuhmacher Hans Georg Silberbauer das Anwesen in der Marktstraße
und einige Jahre später erwarb er dazu einen Wiesfleck an der Ziegelgasse.
Um dieser Wiese willen entfachte er einen jahrelangen Rechtsstreit, der
halb Kötzting als Zeugen auf den Plan rief (da-zu noch den 69jährigen
Pfarrer von Schmidgaden bei Nabburg und seine Köchin, gebürtige
Kötztinger), der den Magistrat, die Regierung in Straubing, zwei wortreiche
Advokaten beschäftigte und eine Menge Geld kostete.
Sachverhalt: Das Wildwasser (Regenwasser und Abfluß der Düngerstätten)
aus Richtung Fleischgasse (oberer Abschnitt der Schirnstraße) wurde
in einem Graben die Wurmhöhe hinunter zu einer Wiese geleitet, um
sie zu bewässern. Diese Wiese, die Hienerin genannt, lag hinter dem
Rathaus und über dem Brauhaus. Damit kein Tropfen des kostbaren Naß
verloren ging, hatte der Wiesenbesitzer (Fludermeister Löcker) schon
vor Jahrzehnten in der Nähe des Amtshauses (jetzt Schirnstraße
20, Pizzeria Riviera) mit einem Baumstamm eine „Brustwehr“ errichtet. Dieser
Damm verhinderte den Wasserlauf in Richtung Ziegelgasse. Silberbauer glaubte
nun seinerseits für seinen Wiesfleck ein Recht auf dieses Wasser,
dem man den gottgewollten, natürlichen Lauf „aus wucherischer Gewinnsucht“
verkehrt habe, erstreiten zu können.
Obwohl die schriftlichen Eingaben, Stellungnahmen und Protokolle ein
dickes Aktenbündel füllen, bleibt der Ausgang des Streits im
dunkeln. Wir Heutigen aber verdanken ihm folgende In-formationen zur Ortgeschichte:
-
Abwasser, heute lästig, war früher hoch begehrt zur Bewässerung
der Wiesen und Grasgärten.
-
Nachbarschaftlicher Rechtsstreit wurde seinerzeit mitunter hartnäckig,
kostspielig, mit Hilfe fintenreicher und gut ausgebildeter, ortsansässiger
Anwälte ausgefochten.
-
Zur nachdrücklichen Verdeutlichung des eigenen Standpunktes
bediente man sich auch ge-zeichneter Skizzen (siehe Abbildung).
-
Die in Akten oft genannte Wiese „Hienerin“ kann jetzt lokalisiert
werden.
-
Die „Wurmhöhe“ hat ihren Namen vom damaligen Besitzer des Anwesens
Schirnstr. 18 (Holl-maier). Der aus dem Haus stammende 67jährige Leinweber
Johann Adam Wurm wurde als Zeuge gehört.
Für die alte Hausnummer 41 konnte der Arbeitskreis Heimatforschung
folgende Besitzer ermit-teln: 1688 Hofmann Michael und Anna
28. 9. 1705 Stift (Pacht): Denscherz Mathias, Bäcker
18. 4. 1708 St. Sebastian Bruderschaft (Gantverkauf)
19. 4. 1708 Stift: Pachmayr Hans Georg
20. 6. 1709 Schlögner Johann Sigmund, Nothaftischer Hofmarksverwalter
20. 12. 1710 Stift: Wieser Christoph
26. 3. 1714 Billich Wolf und Margaretha
30. 1. 1719 Billich Ander und Barbara
um 1730 Mayr Johann Georg, Aufschläger, und Anna Maria
5. 6. 1735 Truckmüller Johann Georg
3. 3. 1744 Haslbeck Jakob, Bäcker
18. 2. 1746 Silberbauer Hans Georg, Schuhmacher, und Eva
5. 6. 1772 Silberbauer Joseph
26. 1. 1821 Silberbauer Jakob
2. 11. 1857 Silberbauer Joseph
Ludwig Baumann, Clemens Pongratz
November 1998
Kötztinger Häusergeschichte
Liebl–Schlosser (Marktstraße 20)
Die ehemalige Werkstatt des weit über den Kötztinger Raum hinauswirkenden
Barockbildhau-ers Johann Paul Hager (1698-1769) fiel beim großen
Marktbrand von 1867 den Flammen zum Opfer. Auf einem Teil der Brandstätte
(ungefähr beim Anwesen Krämer) wurde die untere Markt-straße
angelegt. Aber noch zu Lebzeiten des Bildhauers kaufte sein Sohn Johann
Joseph (1733-1772) mit den zusammen mit dem Vater erarbeiteten Geld-mitteln
die Marktlehensbehausung in der Marktstra--ße 20. Bevor er mit 71
Jahren starb, konn-te der alte Hager noch knapp 1 ½ Jahre beim Sohn
wohnen.
Auch der junge Hager hatte das Bildhauerhandwerk erlernt und arbeitete
in der väterlichen Werkstatt. Selb-ständige Arbeiten können
ihm bislang nicht zugeschrieben werden. Das Schicksal ließ ihm auch
wenig Zeit zur künstlerischen Entfaltung. Er starb schon 38jährig
und überlebte seinen Vater nur um zwei Jahre. Sechs Kinder hatte ihm
die Häuslerstochter Anna Maria Löcker aus Haus geboren. Das Jüngste
war noch nicht auf der Welt, als der junge Vater starb, und lebte auch
nur ein paar Tage. Zu allem Unglück mußte 1777 auch noch die
Mutter sterben. Sie hinter-ließ den 11jährigen Paul und den
15 Jahre alten Müllerlehrling Hans Adam, alle anderen Kinder waren
ihr schon voraus gegangen. Hans Adam konnte später die Hauser Mühle
kaufen.
In einem Inventar, das nach dem Tod Johann Joseph Hagers wegen der
Erbauseinandersetzun-gen angefertigt wurde, sind die komplette Einrichtung
des Hauses und die Räume beschrieben: Wohnstube, Nebenkammer, Speisgewölbe,
Hausfletz, obere Stube, obere Kammer, oberes Fletz, Boden, Treidboden,
Kuhstall, Ochsenstall, Stadl, Schupfe, Gsotboden und herunteres Seitenstübl
(Werkstatt u. a. mit 44 Schnitzeisen, 9 Raspeln, Einspanngabeln, Bohrern).
Damals waren auch noch Rechnungen aus der Schaffenszeit des alten Hager
offen, von den Kirchenstiftungen Arnbruck, Grafenwiesen und Chamerau. Vater
und Sohn hatten für diese drei Gotteshäuser die komplette Bildhauerarbeit
gefertigt.
Für das Haus Marktstraße 20 konnte der Arbeitskreis Heimatforschung
folgende Besitzer ermit-teln:
1686 Zilcker Peter, Kammerer (Bürgermeister), vorher Richter
zu Sattel- peilnstein
vor 1705 Billich Hans Georg, Äußerer Rat, und Anna
Katharina
14. 1.1705 Schwarz Hans Georg, Äußerer Rat, und Anna
Maria
1727 Schwarz Anna Maria, Witwe
26. 10. 1734 Greil Hans Adam, Fludermann
vor 1753 Greil Anna Maria, Fludererswitwe
11. 3. 1763 Kollmeier Johannes Michael, Fludermeister, aus Engelshütt
(7. 2. 1753 Heirat: Greil Anna Maria, Witwe)
25. 5. 1768 Hager Johann Joseph, Bildhauer
17. 3. 1772 Hager Anna Maria, Bildhauerswitwe
10. 6. 1772 Wieser Wolfgang, Bauerssohn von Weißenregen
(Heirat: Hager Anna Maria, Witwe)
15. 2. 1777 Gressl (Graßl) Hans Georg, Eggersberg
9. 12. 1777 Dreger Joseph, Bäcker, brauender Bürger
1811 Dreger Elisabeth
7. 2. 1824 Ring Andreas, brauender Bürger (Übernahme
um 4000 fl)
23. 7. 1849 Weinzierl Franz Michael, von Pfaffenberg (7. 8. 1849
Heirat: Ring Katharina, Witwe)
Ludwig Baumann, Clemens Pongratz
Dezember 1998
Kötztinger Häusergeschichte
Häfner, Voithenleitner (Marktstraße 18)
Alle Häuser links und rechts vom Alten Rathaus hinauf waren Marktlehen
oder -sölden mit dem Bierbrau- und Schankrecht, einzige Ausnahme die
Nr. 18. Aber der Handel hat in diesem Gebäude Tradition. Soweit unsere
schriftlichen Quellen zurückreichen, führen die Hausbesitzer
den stolzen Titel „Handelsmann“. Und noch etwas zeichnet dieses Besitztum
aus: Im 17. und 18. Jahrhundert walten dort fast ausschließlich Geschäftsleute,
die vom Ausland kommen. Namen wie Türank, Discutin (auch Liscutin
und Luscatin geschrieben), Ganzine, Dominicus, Fabrici verraten ihre welsche
Herkunft. Trotzdem standen sie in hohem Ansehen. Die Söhne des Hans
Türank z.B. heirateten in beste Familien ein, in die des Marktschreibers
und Aufschlagseinnehmers von hier, in die des Stadtrichters von Furth,
in ein angesehenes Neukirchner Bürgerhaus.
Der Arbeitskreis Heimatforschung konnte folgende Besitzer ermitteln:
1663 Türank Hans, Handelsmann, Kirchenprobst, aus dem Welschland
(Italien)
12. 2. 1680 Türank Johannes (Heirat: Raid Barbara, Tochter
des Marktschrei- bers und Landschaftsaufschlagseinnehmers Johann
Raid)
18. 8. 1706 Discutin (Liscutin, Luscatin) Johann Franz, Kramhändler
aus Alt- ham/Mauerkirchen (22. 9. 1706 Heirat: Türank
Anna Maria)
vor 1717 Discutin Anna Maria, Witwe, Kramhändlerin
17. 6. 1717 Billich Andreas
24. 2. 1718 Discutin Anna Maria (Rückkauf)
23. 6. 1722 Schuder Hans Georg (Heirat: Discutin Anna Barbara,
Schwester der Anna Maria Discutin)
17. 9. 1746 Ganzine Franz, Händler aus Glanz in Italien
(3. 10. 1746 Heirat: Dominicus Ursula, Tochter des Johann
Dominicus in Venedig und der Anna Maria Luscatin)
29. 6. 1764 Fabrici Johann Baptist, Handelsmann aus Glanzetta
(Kauf)
um 1800 Mager Franziska, Marktschreiberstochter (Übernahme
von den Fabrici’schen Eheleuten; ihr Vater Mager[er]
Cajetan starb, als sie acht Jahre alt war)
28. 8. 1808 Windorfer Josef, Handelsmann
1. Ehe 4. 9. 1808: Mager Franziska (4 Kinder),
2. Ehe 1818: Witzelsperger Anna (6 Kinder)
Josef Windorfer (Sohn des Chirurgen Georg Windorfer, Herrenstraße
1) war ein erfolgreicher Kaufmann und ein findiger Industriepionier des
19. Jahrhunderts. Fünf Jahre nach Übernahme konnte er sein Anwesen
durch geschicktes Taktieren mit dem Marktstadel hinter dem Rathaus abrunden.
1823 kaufte er das „Schnitzbauernhaus“ (Marktstr. 29), ein Marktlehen,
und hatte da-mit auch das Brau- und volle Bürgerrecht. Dort stellte
er fabrikmäßig Weinessig her. Den Bau eines Weißbierbrauhauses
– das nicht abgesetzte Bier wollte er zu Essig verarbeiten – hat ihm die
Bürgerschaft mißgönnt und der Magistrat nicht genehmigt.
1839 erwarb er die Hammerschmiede (jetzt „Hammermühle“) und 1846 krönte
er sein Unternehmen mit der Errichtung eines Hochofens in Harras.
Ludwig Baumann, Clemens Pongratz
Rathaus